keyvisual



Home
Wir über uns
Rund um Berstadt
Veranstaltungen
News
Geschichtliches
Zeittafel
Gemeindewirtshaus
Zuckerfabrik
Ein Grabstein
Die Berstädter Burg
Wassergericht
Berstadts Kirche
Hexenwahn
Wichtiger Hinweis
Interessante Links
Der Vorstand
Satzung
Kontakt
Sitemap

 

1894 scheitert der Plan für eine Zuckerfabrik in Berstadt

 

 

Auch Landwirte aus anderen Ortsteilen beteiligten sich an dem Projekt

 

Seit 1890 wurde die geplante Bahnstrecke Friedberg Hungen vermessen [1]  Dies versprach nun auch für die Landwirtschaft in unserer Region eine schnelle Anbindung an größere Märkte und damit den Absatz neuer Produkte. Einer der ersten, der die ungeahnten Möglichkeiten des neuen Verkehrsmittels erkannte, war der damalige Berstädter Bürgermeister August Wolff I (Amtszeit 1887 -1923). Bei seinem 25jährigen Amtsjubiläum wird Pfarrer Kullmann loben: ìEisenbahn, Feldbereinigung, Wasserleitung, Schulhausneubau und elektrisches Licht, das sind die großartigen Erfolge, die unter des Jubilars Leitung für die Gemeinde zu buchen sind.î [2]

Bis zu diesem Zeitpunkt 1893 war der Zuckerrübenanbau in unserer engeren Heimat begrenzt. [3] Die Zuckerrübe (lateinisch: Beta vulgaris var. altissima) selbst hat ihren Ursprung in der heimischen Runkelrübe, aus welcher weitere Nutzformen wie Mangold und rote Beete entwickelt wurden, die alle botanisch zu den Gänsefußgewächsen gehören. 1747 erkannte der Apotheker Andreas Sigismund Marggraf, daß der Zucker dieser Rübe identisch mit dem des teuren überseeischen Rohzucker war. Dies war die Basis für die Zuckerforschung und den rasch einsetzenden Zuckerrübenanbau. Der Zuckergehalt der Pflanze ist durch Weiterzüchtung von 4 auf 17% gesteigert worden.

Die 1893 bereits bestehenden Zuckerfabriken in Stockheim und Friedberg hatten den unschätzbaren Vorteil einer Bahnanbindung, denn gerade im arbeitsintensiven Herbst konnte man nicht Tage damit verbringen, Zuckerrüben durch die Lande zu fahren.

Andererseits galt der Zuckerrübenanbau als gute Einnahmequelle und so verwundert es nicht, daß Bürgermeister Wolff bei einer Versammlung in Berstadt am 10.12.1893 nur Zustimmung für Plan erntete, direkt am Bahnhof Berstadt eine Zuckerfabrik zu errichten. [5]

Der Ausgangspunkt der ganzen Überlegungen war durchaus sinnvoll. Mehrere schlechte Getreideernten und ein Ertrag von 100 Mark/Morgen für Zuckerrüben führten zur Überlegung, Zuckerrüben anzubauen, da hier der Ertrag pro Morgen bei 250 Mark lag. Zum Vergleich: 1995 wurden auf 522.000 ha durchschnittlich 55 Tonnen/ha angebaut, woraus 4,3 Millionen Tonnen Zucker gewonnen wurden.

Im Vorfeld der Versammlung muß Wolff bereits Rentabilitätsberechnungen angestellt haben. In persönlichen Schreiben, datiert vom 12.12.1893, warb er dann bei allen Amtskollegen der Umgebung für seine Idee. Wichtig war besonders, daß man eine Mindestanbaufläche von 3.000 Morgen erreichen mußte.

Allerdings gab es sofort Schwierigkeiten, da sich die größeren Güter in Utphe, Bellersheim und Obbornhofen nicht anschließen wollten, weil sie bereits in Friedberg oder Stockheim Lieferverträge abgeschlossen hatten. Deutlich wird der Besitzer des Hofgutes Grass (liegt zwischen Hungen und Langd): "Da diese Fabrik als eine Konkurrentin für Stockheim auftritt, so könnte für mich, wenn ich jetzt für Berstadt mich verpflichte, der Fall eintreten, daß mir Stockheim keine Rüben mehr annähme. Dieser Gefahr will ich mich natürlich nicht aussetzen." [7] Auch die großen Melbacher Höfe waren bereits an die Zuckerfabrik Wetterau in Friedberg gebunden. Der Melbacher Bürgermeister antwortete entsprechend: "Es zeigt sich ein lebhaftes Interesse für die Errichtung einer Zuckerfabrik in Berstadt. In dem Verzeichnis haben zwar für Melbach sich nicht gerade sehr viele Besitzer eingetragen, doch ist dies dem Umstande zuzuschreiben, weil dahier die Fabrik Wetterau ca. 80 Aktien besitzt, deren Eigenthümer an diese Fabrik vor der Hand gebunden sind." Lediglich in Bellersheim, in Grund-Schwalheim, in Utphe, Wölfersheim und Wohnbach war ein größeres Interesse vorhanden, so daß schließlich 1150 Morgen gezeichnet wurden, was aber keinesfalls ausreichte. Berstadt zeichnete 400 Morgen, Wohnbach 246, Wölfersheim 140 und Bellersheim 96, die Bauern aus Echzell, Bingenheim, Gettenau und Obbornhofen hielten sich sehr zurück.

Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten betrieben die Gemeinden Wohnbach und Berstadt das Projekt weiter. Obwohl man noch lange nicht die Rentabilitätsgrenze bei der Anbaufläche erreicht hatte, stritt man sich in den Gemeinderäten schon über die Aufteilung der Gewerbesteuer. Aber man erkannte dann doch, daß aus den Gemeindekassen der Bau einer Zuckerfabrik mit einem Kapitalaufwand von 900.000 Mark nicht zu finanzieren war und es wurde beschlossen, eine Aktienfabrik zu gründen. Gegründet wurde die "Actien-Zuckerfabrik Berstadt" im Mai 1894. Ein Ausschuß mit 65 Mitgliedern wurde gegründet, 6 kamen aus Berstadt, alle anderen aus Bellersheim, Bettenhausen, Grund-Schwalheim, Inheiden, Melbach, Münzenberg, Muschenheim, Obbornhofen, Oberwiddersheim, Rockenberg, Södel, Trais-Horloff, Trais-Münzenberg, Utphe, Wölfersheim und Wohnbach. [8] Am 31. Mai 1894 wurde vor dem Amtsgericht Hungen die "Actiengesellschaft Zuckerfabrik Berstadt" mit Sitz in Berstadt eingetragen. Erschienen waren der großherzogliche Bürgermeister Wolff aus Berstadt, Wilhelm Acker, Philipp Rau II., Heinrich Diefenbach I., alle aus Berstadt, Heinrich Philippi von Wohnbach, Johann Georg Hahn und Georg Bopp I. aus Bellersheim und aus Wölfersheim der Bürgermeister und Gastwirt Wilhelm Heyer I. (Amtszeit von 1874 - 1899) und Christian Allwohn.

Gleichzeitig ging man notwendige Arbeiten an. Seit Mai 1894 wurde systematisch Wasser gesucht. Da die Wasserleitung noch nicht gebaut war, bohrte die Firma Schäfermeyer aus Jagstfeld zwischen Wohnbach und Berstadt nach Wasser und wurde in 33 m Tiefe fündig.

Da das Projekt in landwirtschaftlichen Zeitungen reichsweit Furore machte, meldeten sich Maschinenfabriken aus dem Ruhrgebiet und Norddeutschland, um die Einrichtung der Fabrik zu übernehmen. Sogar Bewerbungen für eine Direktorenstelle gab es schon.

In der gerichtlichen Anerkennungsurkunde war festgelegt worden, daß erst ein Viertel des Nominalbetrages der Aktien eingezahlt werden mußte, bevor der Eintrag ins "Gesellschaftsregister" erfolgen konnte. [9] Die erforderliche Summe von 225.000 Mark kam jedoch nie zusammen, lediglich 60.000 Mark standen zur Verfügung. Allerdings trat auch eine Zuckerkrise ein, welche die Preise purzeln ließ, so daß man bald Abstand von dem Plan nahm. [10] Für Berstadt bedeutete der gescheiterte Bau der Zuckerfabrik eine verpaßte Chance für eine mögliche größere Entwicklung.

Die Eisenbahnstrecke Friedberg - Hungen wurde übrigens am 1. Oktober 1897 in Betrieb genommen, nachdem man seit dem 01.11.1895 daran gebaut hatte. [11]



[1] KAB, Chronik, S. 53
[2] KAB, KB, S. 65
[3] die Beurteilung von Emmel ist falsch.

[5] Emmel, Erich, Aktien Zuckerfabrik Berstadt, eine Planung im Jahre 1894, masch. Manuskript, 5 Seiten, GAB,

[7] Emmel, S. 2
[8] Emmel, S. 3
[9] Emmel, S. 5
[10] KAB, Chronik, S. 52

[ 11] KAB, Chronik, S. 53

Zurück zur vorherigen Seite

Top
akd-berstadt.de